Creative Commons und die kommerzielle Nutzung der Anderen

Die Urheberrechtsdebatte blubbert und kocht ungekühlt. Es gibt keinen Tag an dem nicht etliche Links zu den wildesten Statements und Kommentare dazu in meiner Twittertimeline auftauchen. Exemplarisch und zusammenfassend soll an dieser Stelle der kluge Text von Sascha Lobo „Gabeln aus dem Drucker“ verlinkt sein. Erschienen in seiner für den Grimme Online Award 2012 nominierten Kolumne „Die Mensch-Maschine“, die Pflichtlektüre sein sollte für alle, die sich auch nur minimal für Themen aus der digitalen Welt interessieren. Für Auskenner sind seine Texte humorvolle und unterhaltsame Bettlektüre die immer noch einen extra Blickwinkel mit rein bringen, für Laien sind es humorvolle und unterhaltsame Texte bei denen man viel lernen kann und die die digitale Welt ins rechte Licht rücken. Eigentlich sollte man die Texte auch ausdrucken und an die nicht so digital versierten schicken, aber eigentlich wollte ich kurz was über das Urheberrecht schreiben, denn ich verzichte gerne auf einige meiner Rechte. Und ja, ich bin Fan von Sascha Lobo und seinen Texten und Vorträgen.

Schnitt.

Auf der letzten re:publica gab es (mal wieder) einen Vortrag über die Creative Commons Lizenzen bzw. wie man diese in der Praxis einsetzt. Sehr spannend in dem Fall. Denn auch wenn das Creative Commons Modell eigentlich sehr simpel und bewährt ist und man eine geeignete Lizenz durch die Beantwortung von zwei drei Fragen schnell gefunden hat, so gibt es doch einen Knackepunkt, der mich lange Zeit beschäftigt hat: die kommerzielle Nutzung. Natürlich kann man die eigenen und selbst erschaffenen Inhalte und digitalen Produkte jederzeit selbst kommerziell nutzen und verkaufen wenn sich die Möglichkeit bietet, aber soll man dieses Recht auch anderen einräumen? Darf sich jeder an den Inhalten aus diesem Blog (Texte, Bilder) bedienen und diese nicht nur weiterverbreiten, sondern auch selbst ungefragt kommerziell nutzen? Meine Antwort darauf lautet spätestens seit diesem Vortrag: JA!

Der Vortrag von Dr. Till Kreutzer und Matthias Spielkamp lieferte für dieses befreiende JA! die Argumente, die ich hier zusammen mit den Erläuterungen einfach kurz nachfolgend aus der Broschüre „Freies Wissen dank Creative Commons Lizenzen“ aufführen und weiterverbreiten möchte. Am Ende kommt dann noch ein abschließender Kommentar in Bezug auf dieses Blog.


Warum werden Inhalte unter eine CC-Lizenz gestellt?
Damit sie leichter genutzt werden können.

Viele Kreative wollen, dass ihre Texte, ihre Musik oder ihre Filme von möglichst vielen Menschen genutzt werden (auch das Weiterverbreiten ist rechtlich gesehen eine Nutzung). Ihnen geht es darum, den freien Austausch von Informationen zu ermöglichen. Gerade pädagogische Inhalte werden mit dem Ziel geschaffen, möglichst viele zu erreichen. Da ist jede rechtliche Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten kontraproduktiv. Die größte aller rechtlichen Einschränkungen besteht darin, nichts zu tun. Das klingt paradox, entspricht aber dem genannten gesetzlichen Normalfall: »Alle Rechte vorbehalten«. Wer kreativ und schöpferisch etwas Neues schafft, dann aber nichts weiter dazu sagt, ob und wie seine Inhalte genutzt werden dürfen, sagt zwangsläufig: »Niemand darf meine Inhalte nutzen«. Mit den CC-Lizenzen wurde deshalb eine einfache Möglichkeit geschaffen, dass sich Urheber dazu äußern und ausdrücken können: »Jeder darf meine Inhalte in folgender Weise und unter folgenden Bedingungen nutzen.«

Zur Verbreitung der CC-Lizenzen hat beigetragen, dass sie – gerade im Vergleich zu anderen Lizenzbedingungen – verhältnismäßig einfach zu verstehen sind. Außerdem sind sie rechtssicher und international auf die Eigenheiten der unterschiedlichen Rechtsordnungen abgestimmt.

Menschen, die CC-Lizenzen nutzen, machen dies oft, damit ihre Werke in Sozial-, Kultur- und Bildungseinrichtungen genutzt werden können. CC-Lizenzen mit dem NC-Modul, das eine kostenlose nicht-kommerzielle Nutzung ermöglicht, werden dabei als Gegenmodell verstanden zu einer Welt, in der auch gemeinnützige Institutionen für jede Nutzung zur Kasse gebeten werden. Ein Beispiel sind die Lizenzforderungen für das Kopieren von Liederzetteln in Kindergärten, die viele empört haben. Nach der geltenden Rechtslage sind die Forderungen berechtigt. Durch eine CC-Lizenz wollen sich viele Urheber von solchen Praktiken distanzieren. Die Wahl des NC-Moduls ist oft auch der Ausdruck einer Haltung gegen eine als unangemessen empfundene Geschäftemacherei. Allerdings ist nicht alles kommerzielle Handeln schlecht. Im Gegenteil, es ist weder unmoralisch noch gesamtgesellschaftlich fragwürdig, wenn Inhalte auch durch jene verbreitet werden, die ein eigenes finanzielles Interesse daran haben. Oft tragen kommerzielle Nutzungen ganz erheblich zum Erfolg gerade von Kultur- und Bildungsarbeit bei.

Warum gibt es unterschiedliche CC-Lizenzen?
CC-Lizenzen berücksichtigen die unterschiedlichen Interessen der Urheber.

Gemeinsam ist allen CC-Lizenzvarianten die Haltung, dass sie die Nutzung von Inhalten erleichtern sollen. Doch haben Kreative – Autoren, Filmemacher oder Musiker – nicht alle die gleichen Vorstellungen davon, welche Art der Nutzungen sie erlauben wollen. Die sechs unterschiedlichen Varianten der CC-Lizenzen sind die Antwort darauf. Sie bieten ein sehr flexibles Instrument, um die Nutzung an bestimmte Bedingungen zu binden. Ein gutes Beispiel ist die Frage, ob die Kreativen die Bearbeitung ihrer Inhalte zulassen wollen. Einigen ist es besonders wichtig, dass ihr Werk unverändert bleibt und nicht verfälscht wird. Diese Kreativen können sich durch das Modul keine Bearbeitung (abgekürzt ND – no derivatives) absichern und trotzdem andere Nutzungen ihres Werks erlauben.

Anderen ist dagegen es besonders wichtig, dass ihre Werke in Collagen, Remixes und Mashups verwendet werden dürfen. Sie begreifen das Schaffen von Inhalten lediglich als Zwischenstadium in einem Prozess. Ihre eigenen Inhalte sind aus altem entstanden und sollen zu Neuem weiterentwickelt werden. Wer aus dieser Haltung heraus eine CC-Lizenz vergibt, wird die Einschränkung keine Bearbeitung  nicht wählen.

Wem das Open-Content-Prinzip besonders wichtig ist, der wird durch das Modul  Share Alike (abgekürzt SA) dafür sorgen, dass seine Inhalte zwar bearbeitet werden dürfen, nach einer Bearbeitung aber nur unter den gleichen (Lizenz-)Bedingungen weitergegeben werden dürfen, und damit frei nutzbar bleiben.

Auch können Kreative kommerzielle Nutzungen ihrer Inhalte ausschließen wollen. Um diesem Wunsch entgegen zu kommen, wurde die Möglichkeit geschaffen, die unterschiedlichen Lizenztypen jeweils durch das Modul  keine kommerzielle Nutzung  (abgekürzt NC – noncommercial) zu ergänzen. Dies ist jedoch nicht in jedem Fall sinnvoll, weil dadurch viele Nutzungsmöglichkeiten versperrt werden, die durchaus im Interesse Kreativen und Rechteinhaber liegen.

Wie wirkt sich das NC-Modul darauf aus, wie Inhalte verbreitet werden?
NC-lizensierte Inhalte können nicht so leicht und nicht so weit verbreitet werden.

Wenn man seine Inhalte als NC kennzeichnet, können sie nicht in freie Wissensdatenbanken wie die Wikipedia, in offene Medienarchive und in Open-Source-Projekte aufgenommen werden. Häufig ist es nämlich gerade eine kommerzielle Nutzung, die nicht-kommerziellen, gemeinnützigen Initiativen zum Durchbruch verhelfen. Die Produktion der Wikipedia-DVD durch die Firma Directmedia hat sehr zur Popularität von Wikipedia beigetragen, gleiches gilt für die Integration in Suchmaschinen; beides zählt aber als kommerzielle Nutzung und wäre laut NC-Modul nicht erlaubt.

Im Bereich von Bildung und Weiterbildung sind ein großer Teil der Institutionen auf eigene Einnahmen angewiesen, da sie nicht (ausschließlich) öffentlich finanziert werden. Die Orientierung an Einnahmen führt jedoch dazu, dass diese Institutionen als kommerziell gelten müssen. Sie dürfen auch die Nutzung in vielen Blogs wird durch die NC-Bedingung unzulässig. Viele Blogger schalten Werbung, um ihre Server-Kosten zu decken oder sich einen Zuverdienst zu ermöglichen.  Dadurch ist die Nutzung in diesen Blogs nicht – oder zumindest nicht mehr eindeutig – nicht kommerziell.

Was ist kommerziell?
Jede Verwendung, die vorranging auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet ist.

Bei kommerzieller Nutzung denken viele zunächst an multinationale Unternehmen wie Microsoft oder Shell, an Börsenspekulationen, an das schnelle Geld oder fragwürdige Geschäftemacherei.

Die Bezeichnung kommerzielle Nutzung hat nichts mit einer moralischen Wertung des Geschäftsgebarens der jeweiligen Institution oder Person zu tun, sondern beschreibt nur, dass diese einen geschäftlichen Vorteil erringen und durch ihr Tun eine geldwerte Vergütung erzielen will. Und auf diese sind alle angewiesen, die nicht durch den Staat oder durch Spenden finanziert werden.

Ganz klar eine kommerzielle Nutzung ist es, wenn ein Unternehmen ein Bild oder einen Text auf ihrer Firmenwebsite veröffentlicht. Eine kommerzielle Nutzung ist auch, wenn ein Bild in einem Buch gedruckt wird, das in einen Verlag erscheint – und zwar unabhängig davon, ob der  Buchautor dafür ein Honorar gezahlt bekommt  oder ob er im Gegenteil selbst einen Druckkostenzuschuss bezahlen musste, um die Publikation  überhaupt zu ermöglichen. Der Verlag als solches handelt in jedem Fall kommerziell.

Schwieriger ist es dagegen, zu entscheiden, ob private Blogs als kommerziell gelten, wenn sie (oder ihr Blog-Hoster) Werbung schalten und damit Einnahmen erzielen. Diese Einnahmen sind oft sehr gering und decken meist nur die Kosten für das Hosting. Hier gibt es gute Argumente dafür, dass die Unternehmung nicht vorrangig auf eine geldwerte Vergütung gerichtet ist und deshalb weiter als nicht-kommerziell einzustufen wäre. Die Abgrenzung ist schwierig und viele Fälle sind umstritten. Um beim Beispiel des privaten Blogs zu bleiben: Wann verliert ein Blog den nicht-kommerziellen Charakter? Wenn die Werbeeinnahmen die Betriebskosten übersteigen, schon beim ersten verdienten Cent oder erst, wenn tatsächlich ein nennenswertes Einkommen generiert wird?

Die schwierige Abgrenzung führt dazu, dass in vielen Fällen die Verantwortlichen vorsichtshalber keine CC-lizenzierten Inhalte übernehmen, wenn das NC-Modul mit in der Lizenz steht, selbst wenn sie im Ergebnis als nicht-kommerzielle Nutzer einzustufen wären eine andere Herangehensweise, um kommerziell und nicht-kommerziell zu unterscheiden, wäre nicht die konkrete Nutzung, sondern nur den Nutzer zu betrachten. Dann wäre nur zu klären, ob die nutzende Person oder Institution insgesamt als kommerziell anzusehen ist. Öffentliche Schulen oder Museen wären dann aufgrund ihres gemeinnützigen Auftrags als nicht-kommerziell einzustufen und man bräuchte sich nicht mehr zu fragen, ob beim jeweiligen Nutzungsvorgang irgendetwas kommerzielles geschieht. So einfach macht es einem das NC-Modul leider nicht, denn es spricht von Handlungen, die nicht kommerziell sein dürfen. Darum wird man eine kommerzielle Handlung annehmen müssen, wenn Inhalte etwa in einem ausdrücklich auf Einnahmen ausgerichteten Museumsshop verkauft werden – und zwar unabhängig davon, wie dieser Museumsshop rechtlich organisiert und ob das Museum selbst gemeinnützig ist.

Völlig unerheblich für die Unterscheidung von kommerziell und nicht-kommerziell ist, ob der Nutzer finanziell überhaupt zu Lizenzzahlungen in der Lage ist oder ob er in vergleichbaren Situationen für Werknutzungen zahlt. Eine gemeinnützige Stiftung beispielsweise, die innerhalb ihres nicht auf Gewinn ausgerichteten Auftrags ein Foto nutzt, gilt selbst dann als nicht-kommerziell im Sinne des NC-Moduls, wenn sie über ein erhebliches Stiftungsvermögen verfügt und in vergleichbaren Fällen Fotografen auch bezahlt Allerdings gibt es heute kaum gemeinnützige Institutionen, die ausreichend finanziert und nicht auf zusätzliche Einnahmen angewiesen sind – womit wieder der Graubereich der Abgrenzung betreten wird. Ein Verzicht auf das NC-Modul und die Einschränkungen, die es mit sich bringt, vermeidet solche Unsicherheiten.


Schnitt.

Soweit also der Auszug aus der iRights.info-Broschüre. Warum erlaube ich nun die kommerzielle Nutzung insbesondere der Bilder aus diesem Blog? Weil es die praxistauglichste Art für mich ist, Inhalte ins Netz zu stellen. Die Bilder dürfen uneingeschränkt verteilt und kopiert werden. Wäre schön, wenn dieses Blog als Quelle genannt wird. Wenn jemand die Fotos in Magazine oder in Zeitungen oder auf Briefmarken druckt (alles schon vorgekommen), nur zu. Üblicherweise ist die Entlohnung für solche Kleinigkeiten eh so marginal, dass sich die Bearbeitung des Vorgangs meinerseits nicht lohnt. Also die Abrechnung, ausfüllen von seitenlangen Rechtsvereinbarungen und ähnliches. Kostet alles Zeit und Mühe. Ist unnötig und belastet mich nur. Die Sachen im Blog stehen also zur Verfügung. Natürlich freut es mich, wenn ich eine Info bekomme, wo meine Sachen verwendet werden. Das gibt mir dann ein Gefühl für die eigene Reichweite und die ist mir wichtiger als das bisschen Honorar, welches ggf. auf diesem Wege entstünde.

Eins möchte ich jedoch nicht verschweigen: Als Fotograf ist man im Besitz der Originaldateien. Diese sind weit höher aufgelöst als die Bilder im Netz und können somit auch weitaus besser und auch professionell verwendet werden. Diese Daten sind nicht im Netz und ich gebe sie auch nur auf Anfrage und dann meist auch gegen Geld raus. Somit ist dieses Blog auch eine Art Katalog für Leute, die Fotos suchen.

Die Vorteile einer uneingeschränkten Verbreitung der Inhalte in diesem Blog überwiegen deutlich die Nachteile, die durch die mögliche kommerzielle Nutzung anderer entstehen. Kommerzielle Nutzung bedeutet nämlich nicht, dass die Leute durch die Nutzung direkt Millionär werden und ich gerne meinen Anteil hätte, sondern vielmehr ist es die Bereitstellung einer rechtlich sauberen Basis zur uneingeschränkten Verbreitung meiner Inhalte. Das ist nötig, weil das Urheberrecht ohne Creative Commons leider nicht kompatibel mit dem Internet ist.

Falls es Fragen zu dieser Haltung gibt, ab damit in die Kommentare.

Info: Die Broschüre wird von iRights.infoWikimedia Deutschland und Creative Commons Deutschland herausgeben.

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