Das Bild von Wien

Wien 01 Prater

Jetzt war ich schon so oft in Wien, Sommers wie Winters, und habe noch nie was drüber geschrieben. Soll jetzt nachgeholt werden. Allerdings fehlt nun ein wenig das belegbare Vorher-/Nachherbild, denn Wien hat sich etwas verändert, oder zumindest hat sich die Wahrnehmung von Wien verändert.

Früher, also vor ein paar Jahren erst, war mein Wienbild relativ stark mediengeprägt. Wenn man sich in Bayern befindet, dann ist man medial eher auf Entzug und muss z.B. bei Interesse an Popkultur, Hintergrundinfos oder Selbstironie auf FM4 ausweichen, also auf den 24h Zündfunk. Obwohl das auch nicht mehr stimmt. Der Zündfunk ist ja arg alt geworden. Bayerisches Radio ist ansonsten praktisch nicht hörbar, Fränkisches noch weniger. Die leider allgegenwärtige heimelige und belanglose Dudelfunkigkeit ist abstoßend. Zum Glück gibt’s Internet und Streams.

So rund um die Mitte der Nullerjahre habe ich dann auch sehnsüchtig auf jede neue Folge der Sendung ohne Namen im ORF gewartet. Mit ihr kam dann auch endgültig der ordentlich mit Randwissen angereicherte, mit Popkulturreferenzen verfeinerte und tendenziell intellektuelle Blick auf Wien. Und das sah gut aus! Wien selbst sah eh gut aus. Viel unzerbombte großbürgerliche Architektur aus der Kaiserzeit gepaart mit neumodischem Hauptstadtwahnsinn und dazwischen tolle entdeckenswerte Orte und Ecken. Und es kam auch einfach viel Spannendes und Interessantes aus dieser Stadt, u.a. so ein unfassbar schlaues und charmantes Fernsehformat wie die Sendung ohne Namen. Wien war das Berlin Bayerns. Und wenn ich da war, dann spürte ich das auch.

An dieser Stelle möchte ich dann auch kurz eine Folge der SoN einspielen, falls sie jemand nicht kennt oder sie in Vergessenheit geraten ist. Es ist natürlich die Folge über Wien.

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Weiter mit Teil 2 und Teil 3. Ich erinnere mich an eine weitere Folge über bzw. in Wien. Und zwar eine, die komplett ohne Schnitt (eine SoN-Folge ohne Schnitt!) an einem Stück in den Innenbezirken der Stadt gedreht wurde. Eine Michel Gondry-eske Meisterleistung. Aber ich weiss nicht mehr welche Folge das war.

Aber ich schweife ab. Wo war ich gerade? Na jedenfalls hat sich das Bild von Wien gewandelt. Spätestens seit dem letzten Besuch in Mai. Es liegt vielleicht an der Berlinschablone die ich mittlerweile auf jeden Urbanen Raum lege und schaue, wie sich dieser im Vergleich so macht. Wien fällt da mittlerweile etwas ab, leider. Es wirkt allmählich konservativ, was mir früher nie aufgefallen war. Beispiel Museumsquartier. Das MQ hat sich nicht sonderlich entwickelt oder gewandelt. Was noch vor 5 Jahren sehr hip und weit vorne gewirkt hat, wirkt heuer etwas bemüht (ich mein das Areal an sich, einzelne Ausstellungen mögen immer noch großartig sein). Nicht falsch verstehen, es ist nach wie vor einer der besten Orte um stilecht abzuhängen, nen Gespritzten zu konsumieren und lustigen, interessanten und hübsche Menschen beim existieren zuzusehen. Es ist ein quirliger und wertiger Ort, gerahmt von Architektur, Kunst und Hedonismus. Vielen Städten fehlt so was. Aber nunja, der Retrospielekonsolenladen ist immer noch da und der Lomoshop auch. Alles wie schon seit Jahren. Was vor 10 Jahren vielleicht die Speerspitze von urbaner Kultur war, ist mittlerweile und in Zeiten von Instagram leider wirklich nur noch was fürs Museum. Es ist nicht mehr der Ort der Gegenwartskultur und der Impulse, der er mal war für mich.

Schlendert man etwas durch die Gassen der Bezirke, dann zeigt sich auch ein etwas gewandeltes Bild. Wien wirkt hochverdichtet. Das ist es sicherlich nicht erst seit gestern so aber hochverdichtete Städte nerven. Nürnberg hat dasselbe Problem. Die Straßen sind zu eng. Viel zu eng um mal Stühle rauszustellen oder um wenigstens ein bisschen mehr zu machen als Autos zu parken. Viele Straßen wirken sehr leblos und der Eindruck wird noch durch etliche leblose Fenster unterstrichen. Da sind viele dunkle Fenster mit alten Gardienen, ohne schmückendes Gedöns. Löcher in kahlen Räumen. Oftmals wirken komplette Gebäude einfach unbewohnt, aber man soll sich wohl nicht täuschen lassen: „Die Leute die dort wohnen, sind die ersten, die die Polizei rufen wenn irgendwas zu laut ist.“ Der Satz hämmert seitdem er gesprochen wurde mit aller Gewalt auf mein sorgsam gepflegtes Discowienbild.

Nun kenne ich jedoch nur die Ecken des ersten Bezirks und die der angrenzenden Bezirke. Mag sein, dass der 16. Bezirk jetzt wirklich brummt aber leider war ich da noch nicht. Der zweite brummt westlich vom Prater, anders als es die Gerüchte vermuten lassen, jedenfalls nicht nennenswert. Jedenfalls nicht sehr offensichtlich. Der 7. hat nach wie vor seinen Charme und vermag dieses gewisse laissez-faire zu versprühen. Bemerkenswerterweise wirkt diese Ecke auch seit Jahren unverändert. In Berlin hätte man ein solches Kiez in derselben Zeit dreimal durchgentrifiziert.

Zum Glück gibt’s den Donaukanal und da passiert dann auch das, was in gut sortierten Städten so passiert. Zwar schön ordentlich und aufgeräumt aber immerhin. Die Wände sind voll mit teilweise sehr großartigen Graffitis und dazwischen tummeln sich Bars und Clubs mit (manchmal) dufter Musik und Liegestühlen. Vom Donaukanal zeugen dann auch die meisten der folgenden Fotos. Wie ordentlich und aufgeräumt der Kanal trotz der subkulturigen Atmosphäre dann wiederum ist, zeigt das eine Erlebnis, als wir uns mit mehreren Leuten die Liegestühle etwas zurecht gerückt hatten um uns besser unterhalten zu können. Ein Barmann (mit Rastas, yo!) bat uns dann recht umgehend, die Stühle doch wieder so hinzuräumen, wie sie aufgestellt waren. Was wir dann auch murrend taten. In Wien hat einfach alles seine Ordnung zu haben.

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